Aktionen

Warum wir über Autorinnen reden müssen – #Autorinnenzeit

Ein schönen Montag, einen wundervollen Mai. Macht euch auf was gefasst. Der Autor Sven Hensel – wahrscheinlich habt ihr schon davon gehört – hat die Initiative ergriffen und den Mai dieses Jahr zum „Autorinnenmonat“ erklärt. Unter dem Hashtag #Autorinnenzeit lernt ihr diesen Monat viele Autorinnen kennen und natürlich auch ihre Bücher. Ich werde mal hier, mal auf dem Buchblog etwas dazu einstellen. Denn Sven hat recht. Wir müssen über Autorinnen reden. Und das allein ist doch schon schrecklich.

Schrecklich?

Ja, schrecklich. Natürlich ist Barthes These vom Tod des Autors überholt. Roland Barthes meinte, man müssen den Autor von seinem Werk trennen. Ganz falsch lag er damit nicht. Autoren schreiben Bücher, deshalb sind sie nicht mit ihren Werken gleichzusetzen. Eine Thematik aufzugreifen und zu bearbeiten macht den Schreiberling noch nicht zum Verfechter irgendeiner These. Meistens jedenfalls. Aber eben nicht immer. Und wie wichtig der Autor als Marke ist, wissen wir heute doch alle. Wie viele Menschen kaufen sich ein Buch, nur weil irgendjemand bestimmtes es geschrieben hat. Der Inhalt ist da erst mal zweitrangig. Und genauso werden männliche und weibliche Autoren in Gedankenkonstrukte unterteilt.

Frauen schreiben anders als Männer? #Autorinnenzeit (Foto: Pexels / pixabay.de)
Wer hat Schuld?

Jetzt wäre es ein leichtes, den Verlagen die Schuld zu geben. Liebesromane von Frauen, Science Fiction von Männern, Kinderbücher von Frauen, Thriller von Männern, Trivialliteratur von Frauen, hohe Literatur von Männern. Es gibt Ausnahmen, ich weiß. Thrillerautorinnen, Liebesromanautoren. Und die werde dann regelrecht gehypet. Da ist jemand, der außerhalb der Norm kreativ ist. Schmeißt euch drauf. Nicolas Sparks oder Nele Neuhaus, beispielsweise. Aber, wer ehrlich ist, muss gestehen, dass die Verlage nur Erwartungen erfüllen. Marktoptimiert – natürlich. Aber woher kommen die Erwartungen?

Die Frau, das  Naturwesen zum Schreiben nicht in der Lage? #Autorinnenzeit (Foto: croisy / pixabay.de)
Ein Abriss

Ich werfe mal kurz den Literaturhistorikerinnenmodus an. Der Beruf des Autors konnte sich erst mit einer allgemeinen Schulbildung und dem relativ einfachen Drucken von Büchern etablieren. Der Romanautor brauchte noch etwas länger, denn Romane waren sehr lange sehr schlecht angesehen. Fangen wir mal kurz bei der Aufklärung an. Die verortete den Mann in der Kultur, die Frau in der Natur. Alles andre war abartig. Schreibende Frauen? Maximal im Bereich Kinder und Erziehung. Bei den Klassikern war der Geniegedanke schon per se nur auf männliche Exemplare der Gattung Mensch zuschreibbar. Goethe pflaumte in einem Brief eine seiner Schwester Cornelia diese an, sie solle mit der Schreiberei aufhören und sich endlich um ihren Mann kümmern. Die Romantiker verklärten die Frau teilweise – aber eher als Objekt, denn als Subjekt. Das Schreiben blieb Männersache. Im Biedermeier trat mit Annette von Droste-Hülshoff eine der ersten breit wahrgenommenen Autorinnen auf den Plan (es gab vorher beispielsweise Sophie von La Roche, Bettina Brentano, Karoline von Günderrode). Aber auch Annette von Droste-Hülshoff wurde für ihr Schreiben kritisiert und kam aus ihrem Turm einfach nicht heraus. Der Vormärz sah die Stelle der Frau als Mutter perfektioniert. Erwerbsarbeit (und auch Schreiben) nicht erwünscht.

Frauen, die schreiben? Das ist doch nur Hobby – #Autorinnenzeit (Foto: edar/pixabay.de)
Das letzte Jahrtausend

Der Fin de Siecle, der erste Weltkrieg, die Industrialisierung – die Jahrtausendwende bedeutete enormen Umbruch. Freud reihte sich in alte Muster ein, als er behauptete, die Frau sei als Naturwesen zur Kultur überhaupt nicht fähig. Dennoch kennen wir heute einige Autorinnen dieser Zeit. Else Lasker-Schüler beispielsweise ist eine großartige Lyrikerin, Ina Seidel schrieb „Bestseller“. Der frühe Feminismus der 1920er zahlte sich hier aus. Doch der Nationalsozialismus wollte davon nichts wissen. Die Frau musste Soldaten produzieren, Mutter sein. Schreiben war sowieso hoch brisant. Nach dem zweiten Weltkrieg aber sah die Welt ganz anders aus. Die Frauen suchten ihre Stimme. Sie schrieben. Anna Seghers, Karin Struck, Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, Christa Wolf.

Umdenken? Viel zu selten! #Autorinnenzeit (Foto picjumbo_com / pixabay.com)
Und heute?

Der Abriss hat viele vergessen. Noch mehr aber hat die Literaturszene an und für sich vergessen. Frauen die Schreiben werden immer noch schnell als Hobbyautoren abgestempelt. In der Literaturwissenschaft ist die Diskussion, ob es weibliches und männliches Schreiben gibt immer noch nicht beendet. Gender Studies, feministische Literatur, neue Geschlechtervorstellung – das alles ist Thema. Und dennoch ist es nach Abschluss eines literaturwissenschaftlichen Studiums Fakt, dass maximal ein Drittel der gelesenen Autoren Frauen sind. Die Bücher von Frauen werden seltener für Analysen ausgewählt und finden noch seltener Eingang in Seminare. Gelesen werden Juli Zeh, Felicitas Hoppe, Elfriede Jelinek und Sibylle Lewitscharoff. Manchmal. Aber oft auch nicht.

Schubladendenken nervt nicht nur Autorinnen. Hören wie auf damit! #Autorinnenzeit
Seufz

Denn der Gedanke, dass die Frau Triviales schreibt, nette Geschichten für Zwischendurch, aber keine großen Werte, ist in vielen Hinterköpfen noch da. Dabei glaube ich, dass es Trivialliteratur nicht gibt. Nur weil ein Text eingängiger ist, ist er nicht schlechter, nicht weniger dicht. Und manchmal wünsche ich mir anonyme Bewerbungen bei Verlagen. Wenn wieder der Inhalt zählt und nicht mein Name, mein Geschlecht, andere Veröffentlichungen, wenn wir Frauen nicht automatisch mit Liebe und Kindern verknüpfen, Männer nicht sofort mit Abenteuer und Gesellschaft – dann müssen wir auch nicht mehr über #Autorinnenzeit reden. Dann ist sie immer. Sowieso.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
7 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments

[…] über Warum wir über Autorinnen reden müssen – #Autorinnenzeit — Schreibtrieb […]

2. Mai 2017 09:26

Danke für deinen schönen Text. Ich stimme dir in Vielem zu, würde aber der „Branche“ mehr Verantwortung aufhalsen. Man stelle sich vor Harry Potter wäre nie verlegt worden, wenn Rowling unter ihrem weiblichen Namen veröffentlich hätte. Das hat nichts mit der Leserschaft zu tun und auch nicht mit der Qualität des Materials. Viele gute Geschichten werden wir nie lesen, weil Bücher von Frauen die erste Hürde (den Schreibtisch des Lektors) nicht nehmen, allein weil sie Frauen sind. Eine furchtbare Erkenntnis!

Jutta
2. Mai 2017 19:23

Hallo Eva, ein wundervoller und interessanter Artikel, den ich mit freuden gelesen habe. Dass das ganze so arg ist, hätte ich nicht gedacht, denn ich habe viele Autorinnen in meinem Bücherschrank stehen. Um einige zu nennen: Nele Neuhaus, Petra Schier, Nicole Steyer, Jane Austen, Elisabeth George, Nina George, Sabine Ebert u. v. m. Das viele nicht recht wahrgenommen werden … na ja, ehrlich, es wundert mich ein wenig und dennoch finde auch ich es wichtig, dass Frauen, egal ob sie schreiben oder nicht, mehr wahrgenommen werden sollten. Manchmal sind Frauen die besseren Männer … (?) Im Moment bin ich dabei… Weiterlesen »

Wortlichter
20. Juni 2017 00:47

Toller Artikel. Ich musste gleich an Virgina Woolf und ein Zimmer für sich allein denken. Du hast es sicher gelesen. Ich glaube aber auch, dass Frauen sich keine schweren Stoffe zutrauen. Ich muss zugeben, auch wenn ich mich derzeit extrem viel mit Literatur von Frauen beschäftige- die wirklich tiefen Auseinandersetzungen auf literarischer Ebene, schreiben meist die Männer. Die Bücher die mich am meisten bewegt haben, waren meist von Männer geschrieben. Gesellschaftspolitische, schwere und kritische Stoffe findet man zb. so gut wie nie bei Frauen. Dafür sind sie im Fantasy und Liebesroman-Bereich ziemlich stark. Ich bin mir nicht ganz sicher, woran… Weiterlesen »

7
0
Would love your thoughts, please comment.x
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner